Frühe Jagd mit dem "Ranterkopp" - Folge 3!
Wochentags, wenn unsere Freunde, die unter uns wohnen, sich schon früh für ihren Arbeitstag fertig machen, hört das mit spitzen Ohren unser Blesko auch. Er steht aus seinem Körbchen auf, schüttelt sich dezent, aber hörbar, und kommt an mein Bett, wo er sich mit "Ü-ü-ü-ü!" leise zum Dienst meldet. Ich kraule ihm den Nacken und weil das für mich noch zu früh zum Aufstehen ist, flüstere ich ihm zu:
"Blesko, ich möchte noch schlafen, leg dich hin!" Nach 5 Sekunden Bedenkzeit schmeißt er die Furt herum, legt sich stöhnend auf den Teppich vor dem Bett und schnarcht in weiteren 5 Sekunden schon tief und fest vor sich hin.
Wenn es dann so weit ist, dass ich aufstehe, freut er sich Schwanz wedelnd und sich lang streckend und wartet, bis er "aufgezäumt" wird.
In der Regel gehe ich mit ihm zum nördlichen Teil des Soester Bahnhofs, wo es viele Büsche und Wiesen gibt, also Orte für ihn zum "Zeitung lesen" und dort mit gezieltem Pinkeln anzudeuten, dass er auch schon da war und auch was zu sagen hat. Ich freue mich auch, dort so viele Menschen zu treffen, die mich teilweise begrüßen und zur Arbeit gehen, was ich zum Glück hinter mir habe.
Manchmal gehe ich mit dem kleinen Racker den Schotterweg ins alte Bahngelände, wo es viele Karnickel, Hasen, Tauben und auch Graugänse gibt. Ich lasse ihn dann von der Leine, weil das Gebiet zu den Bahnschienen sicher mit einem 1,5m hohen Zaun eingegrenzt ist. Der Kleine schnüffelt dann wie ein Weltmeister und vergisst auch vor Aufregung schon mal, sein großes Geschäft zu machen.
Heute müssen die verlockenden Gerüche wohl ganz intensiv seine Nase betören, ich sehe gerade noch, wie sein kompletter Körper in absoluter Vollspannung verharrt und im nächsten Moment wie ein Pfeil aus einem Flitzebogen auf die in 100m entfernten Kanine loszischt! Da kannste schreien, pfeifen oder Kopfstand machen, nichts nützt, sein Jagd-Instinkt ist bis zur Bewusstlosigkeit auf sein Ziel fixiert.
Er brettert in höchstem Tempo durch hohes Gras und dichte Büsche hinter den Kaninchen her hin zu einem Totholzhaufen, von wo man sein Bellen hört. Das ist das letzte Lebenszeichen diesseits des Zaunes, denn die Kanine haben Gänge unter dem Zaun her gegraben, durch die er sie weiter verfolgt.
Während die Hoppeltiere sich dort natürlich auskennen und genüsslich aus dem Staube machen, ist der rasende Ranterkopp nun jenseits des Zaunes und weiß keinen Weg zurück. Mir steht der kalte Schweiß im Nacken, denn auf den Gleisen fahren viele Züge!
Man hört ihn laut winselnd dort herum irren. Als ich ihn nun rufe, hört er mich, kommt an den Zaun und sitzt dort matschdreckig, völlig durchnässt und voller Kletten, aber natürlich Schwanz wedelnd. Ich finde eine erhöhte Steinplatte und will ihn über den Zaun ziehen, aber Pustekuchen, der ist zu hoch und hat außerdem Spitzen oben drauf.
"Komm hoch, du kriegst auch ein Leckerchen", locke ich ihn, aber der Blödmann bleibt stur sitzen, schaut ganz treu und winselt mich an. Da entscheide ich mich für eine gefährliche Maßnahme: ich mache aus dem Ende der Leine eine Schlinge, schaffe es, sie von oben um seinen Hals zu legen, ziehe mit einem Ruck kurz an, kann ihn gerade noch am Rückengeschirr fassen und über den Zaun heben.
Durchatmen, er und ich!
Nun kriegt er vor Ort seine Strafpredigt, die er treu guckend mit eingeklemmtem Schwanz erträgt, der Kaninchenjäger!
Daheim muss ich mir meine Strafpredigt auch anhören, besonders wegen der Kletten im Fell. Aber ich denke mir: "Ein Glück, dass Du erstens Deinen Hund nicht stranguliert, sondern zweitens auch vor dem Überfahren durch die Züge gerettet hast!"
Man lernt immer dazu, auch über "sichere Zäune", und beim nächsten Mal weiß man Bescheid! Aber das nächste Mal sieht dann wieder anders aus…